United Divided Jerusalem

Winter Semester 23 / 24
Städtebauentwurfsstudio, integriertes Architekturtheorieseminar
ETCS 12,5 (plus 5)

Prof.in Fabienne Hoelzel, Prof. Dr. Ole W. Fischer, AM.in Lisa Dautel

jeweils Dienstag und Mittwoch, 9-18 Uhr, Räume 296 und 208, NB 1

Bezalel Academy of Arts and Design, Jerusalem

– Auftaktveranstaltung: 18. Oktober, 9 Uhr, 208
– Feldarbeit/ Workshop in Jerusalem: voraussichtlich 3.-10. Januar 2024
– Midterms: 12. Dezember
– Finals: 7. Februar

Lisa Dautel, lisa.dautel@abk-stuttgart.de

Wir beschäftigen uns im kommenden Wintersemester mit den politischen, räumlichen und sozialen Verflechtungen (entanglements) des jüdischen und arabischen Zusammenlebens in Jerusalem (Israel). Im Mittelpunkt stehen dabei die Davidsstadt (City of David) und das Dorf Silwan (Village of Silwan). Hier treffen auf kleinem Raum und mit aller Härte sämtliche Dimensionen des Nahostkonflikts aufeinander, die religiöser, nationalistischer und (welt-)politischer Natur sind, aber auch den Alltag vieler Juden*Jüdinnen und Araber*innen betreffen.

Die Stadt Jerusalem erhebt alleinigen (jüdischen) Anspruch auf das Gebiet südlich der Kotel (Klagemauer), die verbliebenen und zugänglichen Reste des zerstörten 2. jüdischen Tempels. Die Kotel ist für Juden*Jüdinnen die wichtigste religiöse Stätte. Einem siamesischen Zwilling gleich erheben sich auf den Tempelresten der Felsendom und die Al-Aksa-Moschee, die wiederum für Muslime*Muslimas die zweitwichtigste Gebetsstätte nach Mekka sind. In unserem Entwurfsgebiet, südlich von Kotel und Felsendom befinden sich archäologische Funde der Davidsstadt, deren Echtheit zwar international durchaus umstritten sind, aber für Juden*Jüdinnen eine enorme religiöse und symbolische Bedeutung haben. Diese vermischt sich mit nationalistischen Interessen Israels, die ihren Ausdruck u.a. in der international ebenfalls stark umstrittenen Siedlungspolitik findet, deren Folgen für ansässige Palästinenser*innen tragisch sind, da sie zu Vertreibung und Flucht führen. Israelische Archäolog*innen und Politiker*innen fordern im archäologischen Fundgebiet die Errichtung eines Nationalparks, was automatisch jegliche weitere Bautätigkeit verbieten und den Abriss bestehender (palästinensischer) Baustrukturen rechtfertigen würde. Das Besuchszentrum der Davidsstadt wurde bereits errichtet und markiert nun den Beginn (oder das Ende) der geplanten neuen jüdischen Gedenkstätte, die räumlich direkt bis zur Kotel und ins jüdische Viertel der Altstadt führt. Die Geschichte Jerusalems wird so automatisch zu einer rein jüdischen Geschichte, in der Muslime*Muslimas und Christ*innen keinen Platz mehr haben.

Das benachbarte Dorf Silwan, ein Stadtquartier Ostjerusalems, das seit den 1960er Jahren überwiegend von arabischen Bewohner*innen bewohnt wird, die nach der Staatsgründung Israels aus ihren ehemaligen Dörfern und Städten fliehen mussten, leidet bereits heute unter den räumlichen und sozialen Auswirkungen der neuen Davidsstadt. Seine Bewohner*innen sollen durch jüdische Siedler*innen ersetzt werden – ein Prozess, der bereits im Gange ist. Die Stadt Jerusalem rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass das Dorf Silwan ursprünglich jüdisch war. Während die Bewohner*innen von Silwan nicht bestreiten, dass ihre heutigen Wohnhäuser früher von Megorashims bewohnt wurden, also von Juden*Jüdinnen, die im Zuge der europäischen Judenverfolgung Anfang des 20. Jahrhunderts aus Südeuropa nach Nordafrika fliehen mussten und nach der Staatsgründung Israels 1948 nach Jerusalem kamen, betonen sie, dass sie die Häuser leer vorfanden, da die ehemaligen Bewohner*innen nach Westjerusalem gezogen waren.

Die Geschichte des Dorfes Silwan beweist nicht nur die Verflechtung jüdischer und arabischer Existenz, sondern auch die Tragödie beider Völker, geprägt von Verfolgung und Unterdrückung. Teil der Katastrophe ist, dass die vor und im 2. Weltkrieg brutal verfolgten Juden*Jüdinnen, die 6 Millionen ihrer Angehörigen im Holocaust verloren, nun selber zu Unterdrücker*innen geworden sind. Die Vertreibung der Araber*innen im Zuge der Staatsgründung Israels wird im Arabischen als Nakbah (Katastrophe) bezeichnet.

Wie kann das Gebiet Davidsstadt-Silwan zu einem Beispiel für eine friedliche Nachbarschaft werden, basierend auf dekolonialen und feministischen Grundsätzen? Ein gemeinsamer städtebaulicher Entwurf, dessen Erarbeitung von einem (integrierten) Architekturtheorieseminar begleitet wird, möchte darauf Antworten finden.

Während der Exkursions-/Workshopwoche in Jerusalem werden die Studierenden in gemischten Teams, also mit israelischen und palästinensischen Studierenden der Bezalel-Akademie, das Dorf und Stadtquartier Silwan intensiv kennenlernen. Die Methoden in der Feldarbeit schließen Interviews mit Bewohner*innen und Aktivist*innen ebenso mit ein wie die kritische Kartierung und Video-/Fotodokumentation, begleitet von Vorträgen durch lokale NGOs und Vertreter*innen der Stadt Jerusalem. Die Ergebnisse der Feldarbeit werden am Donnerstagnachmittag, 9. November, am Bezalel präsentiert. Das Programm der Exkursionswoche startet mit einem Besuch des Holocaust-Denkmals, gefolgt von einer geopolitischen Tour durch das israelisch besetzte Ostjerusalem. Auf der Agenda steht außerdem ein Ausflug in die West Bank nach Ramallah (Hauptstadt der palästinensischen Gebiete) sowie nach Bethlehem, um den Alltag in den besetzen Gebieten zu erkunden. Gute Englischkenntnisse sind von Vorteil (teilweise engl. Literatur sowie zwecks Verständigung während Exkursion und Feldarbeit in Jerusalem).

Termine:
Feldarbeit/ Workshop in Jerusalem: 4.-10. November
Präsentation der Ergebnisse der Feldarbeit: 9. November, Bezalel Jerusalem
Midterms: 12. Dezember
Finals: 7. Februar

Unter der Haut

Winter Semester 23 / 24
Stegreif in Landschaftsarchitektur
ECTS 2,5

LBA Dirk Meiser, Landschaftsarchitekt

– Lageplan 1: 500
– Schnitte und Ansichten 1: 100
– Detailansicht 1: 5 bis 30
– Freie Darstellung frei wählbar
– Picto frei wählbar
– Modell optional
– Titel
– Kurze Erläuterung

Do, 26. November, 14-17 Uhr, NB 1, Raum 208

(insgesamt 3 Termine)

Wie Fruchtkörper von Pilzen schießen überall die Verteilerschränke aus dem Boden. An Häuserwänden, hinter Büschen und Bäumen, in Pflanzflächen oder mitten auf dem Platz. Diese „technische Infrastruktur“ wächst mit enormem Tempo, was im öffentlichen Raum sichtbar wird.

Hinter dem abstrakten Begriff Infrastruktur versammeln sich ganz konkrete unterschiedliche Bauwerke. Leitungen, Speicher, Steuereinheiten, Schächte etc , die s.g. technische Infrastruktur liefert uns von Elektrizität über Energie und Wärme bis hin zum Trinkwasser alles in unsere Wohnungen und Büros, was wir täglich benötigen. All das muss eingespeist, transportiert und verteilt werden.

Der Bau eines Platzes, die Anlage eines Parks, das Schaffen von Freiraum ist nicht möglich, ohne sich mit den infrastrukturellen Notwendigkeiten auf die ein oder andere Art (kaschieren, umgehen, integrieren inszenieren) auseinander zu setzen. Um einen leeren (multifunktional nutzbaren) Platz entstehen zu lassen, ist es notwendig, diese Infrastruktur möglichst unter die Erde zu packen. Doch das gelingt nicht immer. Der öffentliche Raum wird zusehends von Strukturen durchsetzt, die mit der eigentlichen Gestaltung des Raums nichts mehr zu tun haben – „Möbel“, die notwendig sind, um die Lebensweise der Menschen sicherzustellen. Sind sie ein notwendiges Übel, dass man zwar bis zu einem gewissen Grad ignorieren kann, das aber kaum zu kaschieren ist? Oder müssen wir anders damit umgehen? Muss man sie nicht als Teil eines verborgenen Netzgeflechts unter unseren Füßen wahrzunehmen?

Wenn wir die Oberfläche aus Sicht dieses Netzgeflechts betrachten, sind die Oberflächen nur eine Haut, die dieses Geflecht bedeckt und schützt. Können wir versuchen, das verborgene Geflecht unter unseren Füßen sichtbar zu machen, ihm eine Gestalt zu geben. Wie könnte sie aussehen?

Es geht bei diesem Stegreif um die entwerferische Auseinandersetzung mit dem Thema Infrastruktur im Freiraum. Landschaftsarchitektur und Infrastruktur stehen in unterschiedlichsten Beziehungen zueinander, sie reagieren aufeinander, beziehen sich aufeinander, ignorieren sich, beißen sich oder spielen miteinander.

Wir wollen versuchen, diese vermeintlich unsichtbaren Infrastrukturen sichtbar zu machen?

Academy Award
2023

Winter Semester 23 / 24, Summer Semester 23
Exhibition Rundgang 2023
Oworonshoki, Lagos

Our exhibition and project “Oworonshoki, Lagos. Decolonial and Feminist Practices in Urban Design” won one of the Academy Prizes at the 2023 Rundgang of the Stuttgart State Academy of Art and Design!

Based on mapping the daily lives of seven women in the Oworonshoki neighborhood of Lagos, Nigeria, and reading Tsitsi Dangarembga (Black and Female, 2022), Achille Mbembe (On the Postcolony, 2001), Felwine Sarr (Afrotopia, 2019), and Lilian Thuram (The White Thinking, 2022), students from our class of urban design, the class of communication design of Uli Cluss, and the University of Lagos, Department of Architecture, worked together on a project responding to the demands for decolonial and feminist thinking and practice in urban design and planning.

With Mbembe, to colonize “is to put to work the two-faceted movement of destroying and creating, creating by destroying, creating destruction and destroying the creation, creating to create, and destroying to destroy.”

With Dangarembga, we therefore imagine a world in which, in the words of Reni Eddo-Lodge, all people are liberated from the destructive effects of divisive, ranking ideologies – a world with evened-out playing fields, pulling down categories based on every demographic.

The program for the 2023 summer semester consisted of a summer school in Lagos, funded by the DAAD, a theory and reading seminar, and an urban design studio, with the participation of students from the University of Lagos whose exchange semester in our class of urban design was financed by the Baden-Württemberg Foundation.

Damisi Akinnubi Oluwadamisi Cosmas
Sorunke Arafat
Fabusuyi Simisola Favour
Foluke Adeniran Mofoluwakwe
Chisom Chukwuka
Hannah Dickhut
Oluwatoye Eyitayo
Marilen Lou Gaiser
Agbonjaru Goodness
John Favour
Sophie Kraft
Oyeneye Kofoworola
Abdullah Ogunsetan
Ololade Talabi
Lawrence Meju
Salaam Mujibah Abimbayo
Adeyemi Oluwajomiloju Adeoluwa
Abraham Okello Omoding
Rafael Rychlik
Jan Schreiber
Anne Stadtmüller
Robert Wenzel
Ida Lorenza Wragge
Adeposi Adeogun (Unilag)
Yewande Morris (Fabulous Urban | Nigeria Foundation)
Aro Ismaila (Fabulous Urban | Nigeria Foundation)
Academic Associate Lisa Dautel (ABK)
Lecturer Antonia Dürig (ABK)
Professor Fabienne Hoelzel (ABK/ Fabulous Urban | Nigeria Foundation)